• Frage: Wie halten Sie es durch, jeden Tag für etwas zu kämpfen, was von der Gesellschaft einfach unter den Teppich gekehrt wird?

    Frage gestellt park16gum am 6 Okt 2022.
    • Foto: Moritz Witt

      Moritz Witt Beantwortet am 6 Okt 2022:


      Wenn ich an die lauten und aggressiven Widerstand von Klimaleugnern denke, bekomme ich eine sehr schlechte Laune. Es ist eine Hilflosigkeit und ein Unverständnis.
      Ich muss ehrlicherweise sagen, dass das nicht die Regel ist, bzw. es für eine Weile ausgeblendet werden kann.
      In der Wissenschaft ist man erstmal in seiner „Bubble“ und es nicht nicht nötig zu erklären warum man am Klimawandel forscht oder wieso es wichtig ist. Die Wissenschaftler*innen, die sich zusätzlich für die Aufklärung der Gesellschaft entscheiden geraten wahrscheinlich hauptsächlich mit ehrlicher Unwissenheit, wie in diesem Format, in Kontakt. Dann macht Aufklärung Spaß.

      Der zähe, anstrengende Kampf beginnt, wenn aktiv auf die Politik Einfluss genommen werden möchte. Das sind einige sehr mutige Wissenschaftler*innen, wie bei Science for Future. Sie brauchen ein dickes Fell, denn sie kämpfen gegen das langsame Rad der Veränderung in der Politik, und treten als Feindbilder von Klimaleugner*innen auf…

    • Foto: Henrike Schmidt

      Henrike Schmidt Beantwortet am 6 Okt 2022:


      Ich habe nicht das Gefühl, dass ich jeden Tag kämpfen muss. Ich habe ein Umfeld, das meine Arbeit versteht und meine Ansichten teilt. Und hier zu schreiben macht mich persönlich sehr froh, weil es zeigt, dass ihr euch mit dem Thema kritisch auseinandersetzt und es nicht einfach unter den Teppich kehrt.
      Ich weiß, dass ich nicht das dicke Fell hätte, jeden Tag gegen die Politiker:innen gegenanzureden und immer wieder rückschläge einzustecken. Aber es gibt Menschen, die das gut können und gerne machen und so trägt jede:r seinen Teil dazu bei.

    • Foto: Mark Braun

      Mark Braun Beantwortet am 7 Okt 2022:


      Ich sehe das ähnlich wie Moritz, dass bei vielen Menschen ein Unverständnis für die Zusammenhänge und Folgen des Klimawandels vorliegt. Ich würde diese Menschen aber nicht verurteilen, viele haben nicht den gleichen Ausbildungsweg beschritten wie ich und haben einfach einen ganz anderen fachlichen Hintergrund. Ich arbeite an einem Transferinstitut, d.h. wir beschäftigen uns viel damit, die komplexen wissenschaftlichen Zusammenhänge für Fachfremde in einer verständlichen Weise auszudrücken.

      Ich empfinde das nicht als Kampf, sondern als spannende Diskussion. Es ist interessant zu sehen, wie Menschen aus anderen Blickwinkeln die gleiche Problematik betrachten, einfach, weil sie einen anderen fachlichen oder sozialen Hintergrund haben. Ich versuche dabei, mich in andere hineinzuversetzen und auf einen Kompromiss hinzuarbeiten. Klar, aufgrund meiner täglichen Arbeit bin ich sehr auf den Klimawandel fokussiert und ich bin der festen Überzeugung, dass er eine zentrale Herausforderung des 21. Jahrhunderts sein wird, aber bei begrenzten Ressourcen (meistens Geld) müssen politische Entscheidungsträger:innen auch Kompromisse eingehen.

      Diese Diskussionskultur ist aus meiner Sicht etwas abhanden gekommen. Es gibt nur noch schwarz oder weiß, dabei liegt der beste Weg womöglich in der Grauzone. Zwei Dinge sind meiner Meinung nach wichtig für die Zukunft, um das zu beheben: Erstens (fachliche) Bildung und zweitens Förderung sozialer Kompetenzen, also nicht immer überall Recht haben zu wollen, mal zu sagen „das weiß ich nicht“ und sich auch mal in andere hineinzuversetzen und sich andere Meinungen anzuhören, ohne sie zu verurteilen.

    • Foto: Kathleen Mar

      Kathleen Mar Beantwortet am 7 Okt 2022:


      Es gab neulich eine Studie (basiert auf Umfragen) die gezeigt hat, dass ledliglich 8% der Bevölkerung in Deutschland den Klimawandel ablehnen. Diese Gruppe ist oft lautstark, aber sie sind bei weitem keine Mehrheit.

    • Foto: Andre Lindner

      Andre Lindner Beantwortet am 7 Okt 2022:


      Liegt zumindest auch daran, wie Gesellschaft „denkt“ und auf welchen zeitlichen Skalen:

      Ein beachtenswerter Aspekt ist, dass Handlungen im positiven, wie im negativen in diesem Zusammenhang (Klimawandel) meist keine unmittelbaren Effekte erzielen (können) – und damit eine unmittelbare Dringlichkeit und auch Verantwortung, trotz aller Fakten, immer noch nicht wahrgenommen wird.

      Würde man z.B. auf der Stelle alle schädlichen Treibhausgas-Emissionen sofort einstellen, würde sich die Erderwärmung, mit allen Konsequenzen, trotzdem noch eine gewisse Zeit fortsetzen – da dieses komplexe System träge bzw. verzögert reagiert; in etwa zu vergleichen mit einem großen Schiff, das auch wenn man die Maschinen stoppt, nicht sofort zum Stillstand kommt.

      Auch Klimaschutzmaßnahmen haben daher keine sofortigen Effekt, sondern wirken erst langfristig – und das ist in politischen Systemen mit (nur) 4-5 Jahren Legislaturperioden und politischen Programmen, die nicht langfristig ausgelegt sind problematisch. Auch vor allem dann, wenn Wählerinnen und Wähler schnelle und möglichst profitable Ergebnisse wollen und die Motivation zumindest einiger Politikerinnen und Politikern alleinig die eigene Wiederwahl ist.

      Es sind verbindliche langfristige Aktivitäten nötig, von denen der einzelne nicht unmittelbar profitiert (wahrscheinlich sogar Abstriche und Entbehrungen in Kauf nehmen muss), aber für den Erhalt unserer Lebensgrundlage (und damit der Gesellschaft) essentiell sind.

    • Foto: Frank Hase

      Frank Hase Beantwortet am 7 Okt 2022:


      Ich bin zunächst erstmal Wissenschaftler und nicht Klimaaktivist. Ich forsche, weil ich den Erkenntnisgewinn spannend finde, ganz unabhängig davon, ob sich sonst jemand dafür interessiert oder nicht. Was die Menschheit aus den von der Wissenschaft gewonnenen Erkenntnissen macht, das liegt ausserhalb meiner Reichweite.

      Als Spezies sind wir leider irgendwie total verrückt, das beschränkt sich aber durchaus nicht nur auf das Themenfeld Klimawandel: wenn die Wissenschaft die Physik der Atomkerne enträtselt, was macht die Menschheit daraus? Leider denken wir nicht nur an die friedliche Nutzung, sondern bauen uns eine Wasserstoffbombe. Wenn die Chemie Fortschritte macht, dann nutzen wir die neuen Chemikalien sogleich unbesorgt, und erst irgendwann später fällt uns auf, dass zB DDT gar nicht so unbedenklich ist – oder wir nutzen die neuen Erkenntnisse sogleich dafür, uns gegenseitig gezielt umzubringen (siehe zB Fritz Haber, Gaskrieg im 1. Weltkrieg). Wenn Religionsstifter versuchen, uns mit ihren Worten und Schriften über die Schmerzen von Abschied und Vergänglichkeit zu trösten, dann schaffen es wir es doch tatsächlich, den frommen Eifer nicht vorrangig darauf zu verwenden, uns selbst zu bessern, sondern generieren aus unseren Anschauungen regelmäßig religiöse Intoleranz, Hexenverfolgung, alle möglichen Konflike und gar Kriege.

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